| Frau Holla zieht umher (Grimm: deutsche Sagen)
 In der Weihnacht fängt Frau Holla an herumzuziehen. 
                          Da legen die Mägde ihren Spinnrocken aufs neue an, 
                          winden viel Werg und Flachs darum und lassen ihn über 
                          Nacht stehen. Sieht das nun Frau Holla, so freut sie 
                          sich und sagt:"so manches Haar, so manches gute Jahr."
 Diesen Umgang hält sie bis zum großen Neujahr, d.h. 
                          den Heiligen drei Königen, wo sie wieder umkehren muß 
                          nach ihrem Horselberg. Trifft sie dann unterwegs 
                          Flachs auf dem Rocken, zürnt sie und spricht:"so manches Haar, so manches böse Jahr."
 Daher reißen Feierabends vorher alle Mägde 
                          sorgfältig von ihren Rocken an, was sie nicht 
                          abgesponnen haben, damit nichts dran bleibe und ihnen 
                          übel anschlage. Noch besser ist's aber, wenn es ihnen 
                          gelingt, alles angelegte Werg vorher im Abspinnen 
                          herunter zu bringen.
 
 Der Meißner und Frau Holle(P. Zaunert, Hessen-Nassauische Sage)
 Auf dem berühmtesten hessischen Berge, dem Meißner, 
                          den die Leute dort immer noch den Wissener nennen, 
                          weisen mancherlei Dinge schon durch ihren bloßen Namen 
                          das Altertum aus. An der nördlichen Seite des Berges 
                          unterhalb der senkrechten Klippenhänge liegt der 
                          Altarstein, weiter östlich, unterhalb der Felswand, 
                          zwischen wüsten Basalttrümmern, finden sich große 
                          Trichter und Gruben, die Täufelslöcher, und das Tal, 
                          das gegen die Werra hinaus mündet, heißt das Höllental. 
                          Geht man aufwärts von den Teufelslöchern nach dem Kamm 
                          des Berges, so kommt man unter der Kalbe zu einem 
                          ebenen Platz, dem Schlachtrasen. Daneben liegt der 
                          Gottesborn, und dann weiter die Moorwiese, die rings 
                          von einem alten, halbversunkenen Steindamm eingefaßt 
                          ist. In der einen Ecke dieser Wiese liegt der Frau 
                          Hollenteich, jetzt kaum noch Teich zu nennen, ehedem 
                          aber muß er größer gewesen sein. Gelehrte Leute des 
                          17. Jahrhunderts wissen davon zu berichten: An dem Meißnerberg liegt ein großer Pfuhl oder See, 
                          welcher mehrenteils trüb ist, er wird Frau Hollenbad 
                          genannt. Denn nach dem Bericht der Alten hat sich 
                          darinnen ein Gespenst in Gestalt eines Weibsbildes in 
                          der Mittagsstunde badend sehen lassen und ist hernach 
                          wieder verschwunden. Auch außerdem haben sich viele 
                          Gespenster an diesem Berge durch die Moräste, deren es 
                          daherum und auf dem Berge viel hat, vernehmen lassen, 
                          auch zuweilen Reisende und Jäger verführet und 
                          beschädigt.In alten Zeiten hat das Volk noch viel von der Frau 
                          Holle gewußt, Gutes und Böses: Weiber, die zu ihr in 
                          den Brunnen steigen, macht sie gesund und fruchtbar; 
                          die neugeborenen Kinder kommen aus ihrem Brunnen, sie 
                          trägt sie daraus hervor. Aber sie zieht auch gern 
                          Kinder hinein, die guten macht sie zu Glückskindern, 
                          die bösen zu Wechselbälgern. Sie hat dort unten einen 
                          Garten, so schön, wie es keinen zweiten gibt. Und 
                          denen, die ihr begegnen und ihr zu gefallen wissen, 
                          schenkt sie Blumen und Früchte daraus, oder auch 
                          Kuchen und andere gute Dinge, die sie unten im Teich 
                          hat. Wenn es am Meißner nebelt, besonders wenn 
                          einzelne Wolken daran hinziehen, so hat Frau Holle ihr 
                          Feuer im Berge. Und wenn es bei den Menschen schneit, 
                          so schüttelt sie ihr Bett, davon die Federn in die 
                          Luft fliegen. Sie ist sehr ordentlich und hält auf 
                          guten Haushalt. Fleißige Mädchen, die schon 
                          frühmorgens Wasser zur Küche tragen in 
                          reingescheuerten Eimern, finden Silbergroschen darin. 
                          Faule Spinnerinnen straft sie, indem sie ihnen den 
                          Rocken besudelt, das Garn wirrt oder den Flachs 
                          anzündet. Denen hingegen, die fleißig abspinnen, 
                          schenkt sie Spindeln und spinnt selber für sie über 
                          Nacht, daß die Spulen des Morgens voll sind. Wie sie 
                          Rocken und Garn verwirrt, so fährt sie, wenn sie böse 
                          ist, den Leuten, zumal den Weibern, in das Haar. Den 
                          Faulenzerinnen, die nicht aus dem Bette können, zieht 
                          sie die Bettdecken ab und legt sie nackend aufs 
                          Steinpflaster.
 Alljährlich in den zwölf Heiligen Nächten geht sie im 
                          Lande um und verleiht den Äckern Fruchtbarkeit. Zu 
                          dieser Zeit erwartet man sie daher auch besonders in 
                          den Spinnstuben. Auf Christsonnabend muß der Rocken 
                          abgesponnen sein. Ihr zu Ehren ruhen die Spindeln vom 
                          Heiligen Abend bis Neujahr.
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