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Maria spinnt     Die blinde Spinnerin und ihre Tochter     Die drei Spinnerinnen
Lieder und Gedichte
Lieder über Flachs und Spinnen
Maria spinnt.
(Ballade von Karl Gottfried Leitner, 1800 - 1890)

Einst sitzt im Stübchen, schlicht und klein
Stankt Annens frommes Töchterlein
Maria, einsam und bedacht,
den Rocken leer zu sehn vor Nacht.
Sie streicht mit ihren Händchen weich
von Zeit zu Zeit den Goldflachs gleich,
zupft Flocken aus dem Wickelbund
benetzt mit Tau vom Knospenmund
die Fingerchen, wie Schnee so weiß
und zieht und dreht mit regem Fleiß
den Faden aus gar fein, fein, fein,
und lächelt hochvergnügt darein
und denkt: Es spinnt wohl manche nett
bei uns in Nazareth,
in Sichar und in Bethlehem
und vollends in Jerusalem;
wer aber spinnt so säuberlich
vom Jordan bis ans Meer - wie ich?

Da flüstert’s: „Ich!" ihr nah ganz keck.
Die Jungfrau faßt darob ein Schreck,
sie blickt erstaunt und furchtsam schier
um sich, wer im gemach noch hier
und Antwort gibt der Frage gar,
sie doch nur ein Gedanke war.

Und in der Zimmerecke jetzt
ersieht ein Spinnlein sie, das netzt.
Dies sputet flink sich hin und her
und auf und ab und kreuz und quer
und ziehet lang, nach Seilerart,
die Fädchen, doch so wunderzart,
daß sie die Jungfrau kaum nimmt wahr
mit Augen, die doch sternenklar.
Da überglüht mit Purpur reich,
der Rose von Damaskus gleich,
die Scham die Wangen; reuig senkt
voll Demut sie den Blick und denkt
mit frommem Sinn: O, Herr! Vergib,
daß ich so schnöde Hoffart trieb.
Mich dünkt mein Schaffen all nur Tand,
Nun mich ein Tierlein überwand.

Die blinde Spinnerin und ihre Tochter
(Dimitrius Schnitz)

„Und glaubst du denn, ich merke nicht,
Trotzdem ich ohne Augenlicht,
Daß es dem Nachbarsjungen
Schön längst bei dir gelungen?
Du seufzest oft so still und leis,
So seufzt nur, wer von Liebe weiß.
Spinn, Brigittchen, spinn,
Schlag’ die Lieb’ dir aus dem Sinn.

Was öffnest Du das Fensterlein? -
Es würde Die zu heiß sonst sein? -
Gewiß steht er im Garten,
Um auf sein Lieb zu warten;
Sein Liebchen aber bist wohl du? -
Laß ihn schön draußen, bleib in Ruh;
Spinn, Brigittchen, spinn,
Schlag’ die Lieb’ dir aus dem Sinn.

Wer schleicht zur Tür herein so sacht? -
Dir Wind nur hätt’ sie aufgemacht? -
Ich glaub Drills nun und nimmer!
Es ist hier wer im Zimmer. –
Ei, war das nicht ein leiser Kuß? -
O, Kind, was machst du mir Verdruß!
Spinn, Brigittchen, spinn,
Schlag’ die Lieb’ dir aus dem Sinn.

O, glaub, es gibt der Burschen viel.
Für die ist Liebe nur ein Spiel
Und manche hat mit Leiden
Bezahlt die kurzen Freuden;
Was heute ihr noch Spaß gemacht,
Das ward zum Kummer über Nacht. -
Spinn, Brigittchen, spinn,
Schlag’ die Lieb’ dir aus dem Sinn."

Noch gibt die Alte manche Lehr’,
Doch hört davon die Maid nichts mehr
Im Garten drunten herzte
Ihr Buhle sie und scherzte. -
Die Alte aber singt stets fort
Ihr altes Lied, ihr altes Wort:
„Spinn, Brigittchen, spinn,
Schlag’ die Lieb’ dir aus dem Sinn."

Und übers Jahr im Friedhof stand
Ein Mütterlein am Grabesrand
Es läßt die letzten Schollen
Dumpf auf die Grube rollen
Und spricht so tief, so schmerzbewegt:
„Ach, hättest mein Wort du eingeprägt:
Spinn, Brigittchen, spinn,
Schlag’ die Lieb’ dir aus dem Sinn."

Die drei Spinnerinnen
(Gustav Mühl, 19.Jahrhundert)
(nach einer Oberrheinischen Sage)

In der Kunkelstub’ alles schäkert und lacht,
Und wünscht sich eine gute Nacht.
Drei Mägdlein bleiben sitzen allein,
Nicht rasten Händchen und Füßelein.
Die roten Bäcklein glühen heiß,
Der Flachs an den Rocken ist zart und weiß.

Um den Flachs an jedem Rocken wand
Eine liebe Hand ein rosiges Band.
Brauthemden spinnen alle drei,
„Ach, käme der Frühling bald herbei."
„Die Leinwand ist im Gärtchen gebleicht,
Wenn Tulpe sich und Nelke zeigt.

„Und röten sich die Kirschenbäum’,
Dann führen uns die Liebsten heim."
Und als sich nahet die Mitternacht,
Da sagen sie „Morgen früh gewacht,
An’s Rädchen wieder noch vor Tag!
Nur so sich etwas fördern mag."

Und als schlagen die Mitternacht,
Keine menschliche Seel’ im Dorf mehr wacht.
Da huschen drei geister zum Fenster ein,
Und setzten sich an die drei Rädelein.
Sie spinnen - die Ellen hüpfen so still,
Rasch schnurren die Fäden auf die Spill’.

Die Rädchen wimmern im schnellen Lauf;
Nun stehen die drei Gestalten auf.
Ihr Geister der finsteren Mitternachtszeit,
Das Käuzchen so laut am Kirchhof schreit.
Was wird wohl aus der Leinwand fein,
Gibt’s noch drei bräutliche Hemdelein?