Seitenindex Neues Impressum

Der Flachs
und seine Verarbeitung zu Leinen
Flachs Leinen war über Jahrhunderte hin die wichtigste Textilfaser in Europa. Es handelt sich dabei um eine Pflanzenfaser, die aus dem Flachs gewonnen wird. Flachs wurde bis ins 19. Jahrhundert in fast allen Regionen Mitteleuropas angebaut. Heute ist Belgien das wichtigste und größte Anbaugebiet, doch auch in Irland, Frankreich und Russland wird die Pflanze noch kultiviert. In Deutschland ist der Anbau von Flachs als Textilfaser unbedeutend geworden.

Flachs ist eine einjährige Pflanze aus der Familie „Linum", mit einem aufrechten Stängel und abwechselnden, lanzettförmigen Blättern und endständigen traurigen Blüten, die meist eine blaue, seltener eine weiße oder rote Farbe haben. Zur Reifezeit bilden sie Früchte, kugelige Samenkapseln mit einem Durchmesser von 6 - 8 mm, die Leinsamen darin sind glänzend braun. Sie sind wichtiger Öllieferant.

Der Stängel erreicht - je nach Güte - zwischen 80 - 120 cm Höhe. Er besteht aus mehreren, teils holzigen Zellschichten um einen Hohlraum. Die Faserschicht, der Bast, sitzt unter der Rinde und ist mit Pektin, einem Pflanzenleim, an die Trägerzellen gebunden.

Es gibt mehrere Arten Flachs, die wichtigsten sind: der Schließ- oder Dreschlein: wächst hoch, hat jedoch weniger feine Fasern, und der Spring- oder Klanglein: wird nicht so hoch, hat jedoch feinere Fasern.

Der Anbau: Der Flachs treibt eine lange, tiefe Pfahlwurzel und benötigt daher tiefgründigen, gut gelockerten, etwas kalkhaltigen Boden. Die Pflanze ist empfindlich gegen ungünstige Wasserverhältnisse, d.h. Trockenheit oder zu hoher Grundwasserspiegel beeinflussen das Wachstum ungünstig. Dagegen ist hohe Luftfeuchtigkeit, wie sie in Gebieten mit Seeklima oder in Vorgebirgs- und Gebirgslagen herrscht, ideal. Auch kann Flachs nur alle sieben Jahre auf dem selben Feld angebaut werden, doch sonst stellt sie keine Ansprüche an den Boden, der jedoch gut gedüngt sein sollte.

Aussaat ist im April/Mai, je nach Anbaulage und Witterung. Der ausgebrachte Samen muß unter geeggt und gewalzt werden. Nach wenigen Tagen geht der Flachs auf. Sind die Pflänzchen etwa 6,5 - 7 cm hoch, wird das Feld gejätet, um alle Verunreinigungen und das Unkraut zu entfernen. Geerntet wird im August, sobald der Stängel gelblich wird und die Blätter abfallen - nach einer alten Bauernregel 100 Tage nach der Aussaat.

Blühendes Flachsfeld

reifer Flachs

Flachsernte in Belgien
Blühendes Flachsfeld reifer Flachs Flachsernte in Belgien
Flachs wird ausgerauft, d.h. mitsamt der Wurzel aus der Erde gezogen, um einen möglichst langen Halm zu bekommen. Anschließend zu Garben gebunden, die noch einige Tage auf dem Feld trocknen. Anschließend wird geriffelt, d.h. die Samenkapseln werden vom Halm abgestreift.
Solange der Flachs in Handarbeit aufbereitet wurde, geschah das an der Riffelbank, einem grobzinkigen Kamm, der an einer Holzhalterung befestigt war. Das Gerät war entweder transportabel, so daß man auf dem Feld riffeln konnte, oder in der Scheune bzw. einem Werkhaus an der Wand befestigt. Riffeln war Männerarbeit. In Handvoll großen Büscheln zog man das obere Ende des Flachses durch den Kamm, um den Samen zu gewinnen. Heute wird der Flachs in einer speziellen Maschine, die alle Stängel in der gleichen Richtung liegend beläßt, gedroschen.

Das Flachsstroh ist gewonnen , jetzt muß die Bastfaser aus den Zellschichten herausgelöst werden. Dazu ist zunächst ein chemischer Vorgang notwendig, bei dem der Pflanzenleim, der die Faser an die Trägerschichten bindet, aufgelöst wird. Bei der Rotte oder Röste setzt man das Flachsstroh einem Gärungsprozeß aus, wobei der Pflanzenleim verrottet.
Die älteste Methode ist die Taurotte, die teilweise auch heute noch angewandt wird. Das Flachsstroh wird dazu auf dem Feld ausgebreitet und für 5 - 10 Wochen den Witterungseinflüssen ausgesetzt. Ab und an muß der gedreht werden. Die gewonnene Flachsfaser wird leicht grau.
Eine weitere Möglichkeit ist die Kaltwasserrotte, wobei das Flachsstroh in langsam fließendes Wasser gelegt wird, mit Steinen beschwert. Diese Rotte dauert 2 - 4 Wochen, braucht jedoch ein geeignetes Gewässer. Die Faser bleibt blaß blond in der Farbe und von guter Qualität.
Beide Verfahren können gemischt ausgeführt werden: zunächst für eine Zeit aufs Feld und dann noch in Wasser gelegt, ergibt eine qualitativ gute, graue Faser. Die Rottedauer in diesem Falle etwa 3 - 5 Wochen.
Alle drei Arbeitsweisen wurden, je nach Gegend, in kleineren, bäuerlichen Betrieben angewandt.

Für Großbetriebe und Fabriken sind diese Arbeitsweisen zu langwierig, deshalb werden Methoden bevorzugt, wo der Gärungsprozeß schneller abläuft. Es gibt: die Warmwasserrotte bei der das Flachsstroh eine Woche lang in 35 ° warmes Wasser gelegt wird, und die Heißwasser- oder Dampfrotte, die nur 1 - 2 Tage dauert. In beiden Fällen bleibt die Faserfarbe hell und hochwertig.
Die schnellste Rotte ist die Chemische, bei der dem Wasser Schwefelsäure zugesetzt wird. Sie dauert nur Stunden, mindert jedoch die Güte der Faser und macht die Farbe grau. Nach dieser Behandlung muß das Flachsstroh gut durchgespült werden, um alle Säure zu entfernen.

Nach dem Rotten muß das Flachsstroh gut getrocknet werden. Zunächst in der Sonne oder in einer Darrhütte, zum Schluß noch im Ofen oder es wird über einem Feuer „geröstet", denn für den nächsten Arbeitsgang muß das Stroh extrem trocken, also gedorrt sein. In früheren Zeiten hatte man vor dem Ort eine Grube, in der ein Feuer brannte - mit möglichst viel Glut und wenig Flamme - über dem man dann, auf einem Gitterrost, den Flachs in kleinen Partien trocknete. Weil diese Arbeit extrem feuergefährlich war, mußte dieser Arbeitsgang außerhalb der Häuser gemacht werden, in der Scheune zu dörren war nicht erlaubt.

Das Brechen hat den Zweck, den Flachshalm vielfach zu knicken und somit Rinde und Holzteile zu zerstören, um die Bastfaser freizulegen. Zunächst hatte man dafür die Breche, später auch Brechmaschinen in verschiedenen Ausführungen. Eine frühe Form z.B. arbeitete mit zwei geriffelten Walzen, die angeordnet wie eine Mangel und von Hand mit einer Kurbel gedreht wurden, während man die Flachsstängel durchlaufen ließ. Flachsbreche
Die Handbreche ist ein niedriger, langgestreckter Bock, mit zwei, dicht nebeneinander stehenden Holzleisten, zwischen die von oben eine bewegliche, schwertartige Leiste gedrückt werden kann. Zwischen diese Leisten zerdrückt man das Stroh büschelweise. Eine andere Möglichkeit war der Botthammer, der vor allem in Belgien benutzt wurde. Das ausgebreitete Stroh wurde mit einem geriffelten, hölzernen Hammer zerschlagen. Beim Brechen fallen schon viele der winzigen Strohsplitter, den Schäben, von den Fasern ab, jedoch nicht alle. Deshalb wird der Flachs anschließend „geschwungen".

Schwinge

Die Schwinge ist ein hochstehendes Brett sowie ein Holz- oder Metallschwert, mit deren Hilfe man die restlichen Schäben von den Fasern abstreift. Ein Flachsbüschel wird in die Hand genommen, über die Kante des Brettes gelegt, mit dem Schwingmesser schlägt bzw. streicht man am Brett entlang über die Faser hin, so, daß die Holzpartikel aus den Fasern fallen. Dies galt für die bäuerlichen Betriebe, solange hier Flachs verarbeitet wurde, die moderne Industrie hat dafür ebenfalls Maschinen.
Der letzte Arbeitsgang vor dem Spinnen war das Hecheln. Dafür wird der, von den Holzsplittern befreite Flachs durch den Hechel gezogen. Für die Handarbeit ist dies ein Gerät ähnlich einem kleinen Nagelbrett, ca. 12 cm Durchmesser Rund oder eckig, wobei die Dorne sehr dicht stehen und mindestens 10 cm lang sind. Dieser Hechelteil ist auf einem Brett angebracht, das man in ein Halterungsgestell schieben kann, denn die Gestell müssen austauschbar sein, von grob für den Anfang bis fein für die hochwertigen Spinnfasern. Hechel
Gehechelt werden kleine Partien, d.h. je eine Handvoll Fasern wird so lange durch den Hechel gezogen, bis sich alle Verklebungen gelöst haben. Dabei bleiben alle kürzeren Fasern - Werg - im Hechel zurück.
Ist ein Bündel Flachs ausreichend gehechelt, wird es in sich gedreht und zu einer Art Dogge geformt. In dieser Form wird der Rohflachs aufbewahrt bzw. gehandelt.

Der Wergabfall beim Handhecheln ist sehr groß. Er beträgt je nach Qualität und Verfeinerung etwa 40 - 60 % des Schwingflachses. Die Rendite aus 100 kg Flachsstroh liegt bei etwa 12 - 16 % gehechelter, verspinnbarer Flachsfaser. Allerdings kann auch der Werg noch zu einem groben Garn verarbeitet werden.

Kupferstich das Brechen

Kupfersteich das Schwingen Diderant
              Kupferstich das Brechen Kupfersteich das Schwingen Diderant
Literaturauswahl
Autorenkollektiv, Textile Faserstoffe, Leipzig 1962
Hagen, Horst/Tödter, Hermann, Aus Flachs wird Leinen, Rotenburg/Wümme 1985
Harzheim, Gabriele, Das blaue Wunder, Rheinische Flachs- und Leinenproduktion im 19. Jahrh. Köln 1989
Heubach, Helga, Faserpflanzen Flachs/ Hanf/ Nessel, Begleitheft zur Ausstellung März - Mai 1995
Janzweert, Edeltraud, Vom Leinsamen zum Leinenhemd, Haiger 1986
Windeck-Schulze, Karin, Faserstoffe, Frankfurt 1940