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Wolle spinnen mit dem Spinnrad
Das Spinnrad
Das „Flügelspinnrad" in seiner heutigen Form ist eine deutsche Erfindung aus dem 16. Jahrhundert. Der Name kommt von den wie Flügel um die Spule reichenden Fadenführungen. Der Spinnvorgang - Verziehen, Drehen und Aufwickeln des Fadens - ist hier fortlaufend möglich, ohne Unterbrechung. Verzogen wird der Faden wie beim Spinnen mit der Spindel, das Drehen und Aufwinden übernimmt der Spinnkopf, der über ein Schwungrad mit dem Fuß in Bewegung gehalten wird. Der Spinnkopf, bestehend aus Flügel mit Achse und der Spule, ist beidseitig gelagert. Die dem Handspinner zugewandte Seite ist stärker und axial durchbohrt. Der Faden läuft durch dieses Loch über einen der Haken am Flügel auf die Spule. Routiert der Spinnkopf, bekommt der Faden seine Drehung. Damit er sich auch auf die Spule wickelt, muß sich diese in einer anderen Geschwindigkeit (meistens schneller) drehen als der Flügel.
Es gibt eine Vielzahl von Spinnradtypen mit unterschiedlichen Systemen, doch immer läuft der Arbeitsvorgang nach dieser Methodik ab. Bei manchen Spinnrädern sitzt der Spinnkopf seitlich, neben dem Rad, bei anderen darüber. Es gibt liegende und stehende Spinnräder, jede Landschaft hatte ihren eigenen Stil. Bei aller Vielfalt lassen sich zwei Grundtypen unterscheiden, die Arbeitsweise beider wird hier beschrieben.

Spinnrad mit Einschnursystem

Spinnrad mit Doppelschnursystem

Einschnursystem Doppelschnursystem
Alle Spinnräder haben gemeinsam, daß der Spinnkopf über eine Schnur mit einem Schwungrad verbunden ist, das wiederum mit einem Fußtritt über eine Antriebsstange in Bewegung gesetzt werden kann. Die meisten Spinnräder brauchen zudem eine Verstellmöglichkeit, um die Spannung der Antriebsschnur zu regulieren.
Moderne Geräte haben zuweilen eine elastische Schnur, um dieses Problem zu lösen.
Spinnkopf Einschnursystem

Bild 14

Das Einschnursystem: Die Antriebsschnur läuft über die Rille an der einen Spulenseite. Sind Spule und Flügel durch den durchlaufenden Faden miteinander verbunden, bilden sie ein Ganzes und laufen gleich schnell. Um die Spule schnelläufiger zu machen, damit sich der Faden aufwickelt, bremst man den Flügel an der dicken achsseite ab, mit einer darüber laufenden Schnur, die mit einem kleinen Knebel festgestellt wird. So kann man die Einzugsgeschwindigkeit des gesponnenen Fadens durch stärkeres oder schwächeres Anziehen des Bremsknebels regulieren. Bild 14
Das Doppelschnursystem: Hier haben Spule und Flügel je eine Antriebsscheibe. Die Scheibe des Flügels ist etwas größer als die der Spule und sitzt hinter dieser auf der Achse, mit Linksgewinde fest aufgeschraubt. Die Schnur läuft zweimal über das Antriebsrad und je einmal über Spule und Scheibe des Flügels, sie kreuzt an der Unterseite. Die Winkel der Rillen beider Antriebsscheiben sind verschieden und spitz, so daß sich die Schnur durch stärkeres oder schwächeres Spannen mehr oder weniger in die Rillen legt. So kann die Drehgeschwindigkeit der Scheiben untereinander und somit die Einzugsgeschwindigkeit des gesponnenen Fadens verändert werden. Bild 15 Spinnkopf Doppelschursystem

    Bild 15

In jedem Falle muß die Spule auf der Achse sehr leicht laufen. Bei alten Spinnrädern ist die Achse oft verharzt oder verschmutzt. Sie muß gereinigt und auch während des Spinnens hin und wieder geölt werden. Auch ist es notwendig, die Achsenlagerung leichtgängig und sauber zu machen. Liegt diese in einem Holzlager, muß auch hier hin und wieder ein Tropfen Öl helfen.
Die Wolle wird aufbereitet wie in Spinnen von Wolle mit der Spindel beschrieben.

 

Das Spinnen
Für den Anfang wird ein etwa 40 - 50 cm langer Faden an die Spule geknotet, über eine der Haken am Spinnflügel und durch das Achsloch nach außen geführt. Man nimmt eine kleine Portion der gekardeten Wolle in die linke Hand, zieht einige Fasern aus und legt sie an den fertigen Faden, ca. 10 cm vor dem Ende. Dann beginnt man zu treten, wobei gleichzeitig mit der rechten Hand das Rad leicht angestoßen werden muß, damit es in die richtige Richtung (nach rechts) dreht. Es wird angesponnen wie bei der Spindel.
Beim Spinnen hält die linke Hand das Faserbündel in der Hand. Mit Daumen und Zeigefinger der Rechten zieht man die Fasern aus und führt dann die Drehung auf die verzogenen Fasern. So entsteht der Faden, den man mit einer Bewegung beider Hände zum Spinnrad hinführt, damit er sich aufwickeln kann. Der Abstand zwischen Öffnung im Spinnrad und der rechten Hand sollte wenigstens 20 cm sein, besser mehr. Das Rad muß dabei, je nach Fadenstärke, mäßig schnell bis langsam, jedenfalls gleichmäßig laufen.

 

Spinnen am Einschursystem

Bild 16

Wichtig ist, daß man Daumen und Zeigefinger der rechten Hand während dem Verziehen oder nachher nicht öffnet oder den Faden losläßt, damit die Drehung nicht unkontrolliert auf die verzogenen Fasern läuft.       Bild 16
Die gekardete Wolle in der linken Hand wird nur lose gehalten, damit sich die Fasern ausziehen lassen. Die aus dem Wollbündel auslaufenden Fasern sollen ein Dreieck zum fertigen Faden hin bilden. Bild 17
Fasern ausziehen

Bild 17


Ungewaschene Wolle, die aus dem Vlies heraus gesponnen werden soll, setzt man seitlich zur Faser an, so laufen die Fasern gleichmäßiger aus dem Faserbündel.

Reißt der Faden ab oder ist das Fasermaterial zu Ende, so spinnt man an wie für den Anfang erklärt.
Der Fadeneinzug muß gleichmäßig und gerade so stark sein, daß man den Faden einerseits mit der rechten Hand leicht festhalten kann, er andererseits beim Nachgeben der Hände eingezogen wird.
Auf der Spule bildet sich mit der Zeit ein Fadenhäufchen. Durch Umlegen des Fadens in regelmäßigen Abständen auf ein anderes Häkchen am Spinnflügel wird die Spule gleichmäßig gefüllt.

Die Drehrichtung spielt natürlich auch hier eine Rolle. Sie wird bei Garnen mit Z oder S bezeichnet. Läuft das Schwungrad nach rechts, entsteht ein Z-Draht, nach links ein S-Draht.
Zum Zwirnen muß das Rad dann in entgegengesetzter Richtung laufen. Zwei Fäden in Z-Draht gezwirnt werden zum S-Zwirn. (Draht = einfacher Faden - Zwirn = mehrfacher Faden, gedreht.)

Ist die Spule voll, muß der gesponnene Faden abgewickelt werden. Man unterbricht dazu die Spinnarbeit. Falls keine zweite Spule vorhanden ist, die man gegebenenfalls in das Spinnrad setzten kann, wickelt man den Faden auf einen Knäuel oder einen Strang. Den Strang kann man über einen Haspel wickeln. Bild 18

Mehrere Spulen können auf Strang oder Knäuel gewickelt werden, man knotet die Fadenenden so zusammen, daß man den Knoten später wieder lösen kann.
Das Knäuel oder eine zweite Spule wird gebraucht, wenn man das Garn anschließend noch zwirnen möchte. Auf einen Strang wickelt man, wenn das Material anschließend gewaschen oder gefärbt werden soll.
Garnhaspel

Bild 18

Einige Tips.
Ein Anfänger übt zunächst am besten das Treten, denn das Rad muß langsam, gleichmäßig und immer in die selbe Richtung laufen. Als nächstes läßt man während des Tretens einen - schon gesponnenen - Faden auf die Spule wickeln, man wird beobachten, daß sich die Verhältnisse ändern und, wie sich der Faden verändert, d.h. die Drehung stärker wird oder aufgeht. Auch den Einzug des Fadens kann man kontrollieren.

Das Verziehen des Fadens übt sich am besten zusammen mit einer Hilfskraft, die das Schwungrad langsam dreht, so daß man sich auf die Entstehung des Fadens konzentrieren kann. Übt man alleine, darf man das Treten nicht vergessen.

Je dünner der Faden, um so mehr Drehungen braucht er pro Zentimeter, je dicker, um so weniger.
Daraus folgert, daß ein dünnerer Faden etwas leichter zu spinnen ist als ein dickerer Effektfaden, denn langsames Treten ist schwieriger als ein mittleres Tempo. Zudem hat man beim dünneren Faden mehr Zeit zum Ausziehen der Fasern.

Solange der Faden nicht auf die Spule aufgewickelt ist, können sich die Fasern noch verziehen, wenn auch nur wenig. Da die Drehungen zuerst auf die dünnen Stellen kommen, die dickeren Partien immer weniger gedreht sind, ziehen sie sich noch etwas, solange die Möglichkeit besteht. Will man also einen feinen, gleichmäßigen Faden spinnen, so arbeitet man möglichst weit weg vom Einzugsloch des Spinnrades, damit der Faden Gelegenheit hat, sich zu dehnen. Man spinnt mit langem Auszug.
Möchte man dagegen einen Effektfaden haben mit dicken noppigen Stellen, so spinnt man nahe am Einzugsloch des Spinnrades. Voraussetzung ist natürlich, daß man ein entsprechendes Spinnrad hat mit großem Loch und großer Spule.
Spinnräder